Freundschaften loslassen können

Ines_Shooting_Westerholt_BahnhofKindergarten. Freunde werden danach ausgewählt, wie man mit ihnen spielen kann oder wer der schnellste Läufer ist. Der absolute Freundschaftsbeweis: „Ich lade dich zu meinem Geburtstag ein“. Wahlweise auch „Vielleicht darfst du dann auch zu meinem Geburtstag kommen“.

Grundschule. Das Konkurrenzdenken ist noch nicht so ausgeprägt und Freundschaften gehen ihren gewohnten Gang. Wieso nur eine beste Freundin haben, wenn es sich in Gruppen viel besser spielen lässt?

Weiterführende Schule. Freunde sind absolut essentiell. Niemand will alleine in der Pause rumstehen, niemand will gar genau der Eine sein, der gemobbt wird. Jeder möchte zu den wichtigen Partys eingeladen werden, um zumindest die Option zu haben zu sagen „Ne sorry, keine Zeit“. Manche Dinge ändern sich nie.

Abitur/Abschluss. Freunde sind die, mit denen man meist seit Jahren gemeinsam durch dieses Ding namens Schule geht. Immer mit diesem wehmütigen Gedanken „Was kommt eigentlich danach?“.

Studium. Neuanfang, neue Freunde. Die wenigsten haben die Möglichkeit, die Schul- zu Unifreunden werden zu lassen. Meist mit einem Wohnortswechsel verbunden, werden neue Kontakte geknüpft, alte fallen gelassen oder mit weniger Intensität, aber nicht weniger Zuneigung weiter gepflegt.

Arbeit. Wenn der Ernst des Lebens nicht schon längst begonnen hat, tut er es jetzt. Sind Kollegen Freunde? Feinde? Ein Mix? „Frollegen“ also? Wie lerne ich Freunde außerhalb des Büros kennen? Wie pflege ich Unifreundschaften? Und damn it, mit der Schulfreundin wollte doch eigentlich auch noch geskypt werden. Freundschaften werden zu Arbeit. Schöner Arbeit, aber dadurch nicht weniger kompliziert.

Freunde bei der UmzugspizzaWir alle brauchen Freunde. Die Freundin, die wir mit unseren Jungs-Problemen vollheulen können, den Kumpel, der mit einem saufen geht. Die Clique, mit der das Wochenende geplant wird, die Lunchdates und After Work Buddies. Die, denen wir Postkarten schreiben, sobald wir unser Wohndomizil verlassen, die, die nur noch über Facebook, Twitter oder Instagram erfahren, was gerade eigentlich vor sich geht. Die, mit denen man wochenlang nicht redet, ohne der Freundschaft weniger beizumessen. Die, mit denen man jeden Tag spricht und wo man ganz genau weiß: aus den Augen, aus dem Sinn. Die, mit denen man jeden Tag auf die ein oder andere Weise in Kontakt steht und ganz genau weiß: das wird – und soll – sich nicht ändern. Nur wie wird differenziert? Wieso wird auf manche Menschen der Sticker „Es war einmal“ geklebt, während andere von einem Moment auf den anderen ins Leben treten und nicht mehr gehen?

Wir alle brauchen Freunde. Mit der Zeit realisieren wir, welche. Es ist utopisch zu denken, dass man mit allen Freunden aus verschiedensten Lebensabschnitten Kontakt halten kann. Eventuell möchte man das auch nicht. Jeder Abschnittswechsel, jeder Umzug ist eine Chance, Altlasten galant loszuwerden. Es gibt kein besseres Ende für Freundschaften als ein langsames Fade-Out. Beiden ist bewusst, dass es nicht mehr so ist wie früher, aber man kann sich trotzdem guten Gewissens auf der Straße begegnen und „Hallo“ sagen. Denn seien wir ehrlich: egal, wo auf der Welt man sich gerade befindet, die eine Freundin, der man mit dem Abitur direkt „Adieu“ gesagt hat, wird man dennoch an anderer Stelle noch einmal wiedersehen. Und wenn es nur das Klassentreffen ist.

Wir alle brauchen Freunde. Aber wir brauchen nicht die, die uns nicht wertschätzen. Die, die nur dann zu uns kommen, wenn ihnen gerade niemand anderes zuhört. Die, die einen mit aller Regelmäßigkeit versetzen. Die, die es nicht für nötig halten, überhaupt irgendetwas in die Freundschaft zu investieren, ohne einen Nutzen draus ziehen zu können. Da darf man auch ruhig mal Schluss machen. Sagen, was einfach nicht mehr akzeptiert werden kann. Aufzeigen, dass die Freundschaft nichts ist, als ein Schatten ihrer selbst. Oder vielleicht auch einfach schreien „Ich lade dich nicht mehr zu meinem Geburtstag ein“. Das hat schließlich schon im Kindergarten funktioniert.

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12 Kommentare

  1. ms
    23. Juli 2015 / 17:09

    Ohne Freunde geht es nicht. Manchmal reicht auch nur ein Freund!

  2. 23. Juli 2015 / 21:33

    „Frolegen“ – super Ausdruck, grade das erste Mal gelesen :)

    Ich finde ja, den einen Freund für alles gibt es nicht. Es gibt welche fürs Bier, welche fürs feiern und welche fürs frühstücken. Alles mit allen zu machen ist irgendwie nicht meine Welt.

    • 24. Juli 2015 / 11:25

      Haha, den Ausdruck habe ich mir ausgedacht. Das mit der Freunde-Aufteilung finde ich auch! Nur irgendwann passen irgendwelche dann in gar keine „Schublade“ mehr, dann kann man die Freundschaft auch mal beenden, darum ging’s mir :)

  3. 23. Juli 2015 / 22:40

    Stimme voll und ganz zu! Wünschte ich könnte das mit dem Fade-Out…wie man am besten mit Freunden Schluss macht ist definitiv ein Thema, was ich mich beschäftigt. Da fliegt auch schon lange ein Entwurf in meinem WordPress herum, vielleicht schreibe ich jetzt mal daran weiter. Toller Post!

  4. Chris
    24. Juli 2015 / 10:42

    Hey,
    ich finde deine Texte meist angenehm zu lesen, weshalb ich auch schon 2,3 Mal auf Teaser geklickt habe, die ich thematisch eigentlich eher uninteressant fand. Bei diesem Text war ich ohnehin schon neugierig und muss dir für deine treffende Analyse ein Kompliment aussprechen. Durch die verschiedenen Stationen hab ich mein eigenes Leben selbst kurz Revue passieren lassen ;)
    Was ich mich frage: Warum benutzt du englische Überschriften für deutsche Texte? Das wirkt auf mich eher albern.. Soll das hip klingen oder bringt es sogar mehr Besucher auf die Seite? Ist aber nur ne Kleinigkeit, mach ansonsten weiter so ;)
    Chris

    • 24. Juli 2015 / 11:27

      Danke fürs Lesen und fürs Lob :) das mit den englischen Titeln wurde ich schon oft gefragt und es macht SEO technisch null Sinn, ich will nur wenigstens irgendwie meine Englisch Liebe zum Ausdruck bringen, wenn ich schon nur auf Deutsch schreibe.

  5. 24. Juli 2015 / 21:43

    Sehr schöner Text, der eine Sache anspricht, über die ich mir viele Jahre lang Gedanken gemacht habe. Gerade wegen den „Freunden“, die nur da sind, wenn sie jemanden brauchen, mit dem sie Zeit verbringen können. Ich glaube, mit Mitte/Ende 20 oder zumindest mit dem Beginn des Berufslebens sortiert man auch ordentlich aus, sodass letztendlich nur die Freundschaften bleiben, die es verdienen, dass man die wenige Zeit da reinsteckt.
    Ich zum Beispiel hatte noch nie viele Freunde und hab auch jetzt nicht viele. Ich kann sie an zwei Händen abzählen. Aber wie jemand oben schon geschrieben hat: Manchmal braucht man eben nur einen, weil genau dieser Mensch passt.

  6. 7. August 2015 / 9:41

    Ich hätte damals nie gedacht, dass es mal zu einem Problem werden wird, aber ich fand es im Job und auch während der Studienzeit recht schwer neue Freunde zu finden. In der Uni habe ich jedes Semester neue Gesichter kennengelernt und selbst wenn man 1-2 Verantsaltungen in der Woche teilt, verliert man sich oft spätestens nach 3-4 Monaten (Anfang der vorlesungsfreien Zeit) wieder aus den Augen.

    Im Job liegt es auch oft daran, dass die Altersunterschiede viel zu krass sind oder man sich halt nur beruflich und nicht privat kennenlernt.

    Nach dem Studium bin ich wieder zur Schule gegangen und habe dort keine Probleme gehabt, neue Freundschaften zu schließen. Da sitzt man dann wieder über 3 Jahre hinweg mit immer den gleichen Leuten, mehrmals die Woche zusammen in einem Raum. Soetwas schweißt zusammen.

    • 10. August 2015 / 18:14

      Ja, Schule ist wirklich am einfachsten… Ich hatte das Glück, dass ich in meinem Job ein paar Gleichgesinnte getroffen habe und viele davon mittlerweile Exkollegen sind – dann redet man auch nicht immer über Arbeit. Aber so ganz ohne Kontakte in einer neuen Stadt ist wirklich schwer, ich hatte im Prinzip auch nur einen Bekannten in Berlin, bevor ich dorthin gezogen bin.

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