Erasmus in Aberdeen, Schottland

Erfahrungsbericht und Auslandsblog von meinem Semester in Aberdeen

Wie dort anfangs verkündet, verbrachte ich von September ’12 bis Januar ’13 mein Erasmus-Semester in Aberdeen. Eigentlich ist für meine detaillierten persönlichen Erlebnisse auf diesem Blog nur begrenzt Platz, da ich aber nicht alles doppelt und dreifach erklären, beschreiben, erzählen möchte, nutzte ich diese Extra-Seite, um allen Interessierten ein bisschen mehr aus meinem privaten Leben zu berichten.

Mein Auslandssemester ist nun zu Ende. Der unten stehende Text wurde immer mal wieder während meiner Zeit in Aberdeen geschrieben, hier ist aber auch noch mein dreiseitiger Erasmus Erfahrungsbericht, der wahrscheinlich das Wichtigste enthält.

Zum krönenden Abschluss wurde übrigens mein British Airways Rückflug von Aberdeen via London nach Düsseldorf gecancelt, sodass ich völlig verzweifelt direkt die Lufthansa-Alternative von Aberdeen nach Frankfurt buchte. Das bringt mich zu einem Thema, was ich hier noch gar nicht angesprochen habe, mich aber immer wieder auf Trab hielt: Die Unfähigkeit der Fluggesellschaften. Man kann sich wirklich nur auf die Lufthansa verlassen, wir hatten genug Möglichkeiten zum Testen …

KLM: Strecke von Düsseldorf über Amsterdam nach Aberdeen: Koffer auf dem Hinweg verloren gegangen, zweimal auf dem Hinweg Anschluss in Amsterdam verpasst, Flug aus Aberdeen gecancelt und dementsprechend wieder Anschluss in Amsterdam verpasst. Flüge komplett gestrichen.

British Airways: Flug nach London gecancelt.

Ryanair: Strecke Frankfurt-Hahn – Edinburgh. Flug aus Edinburgh gecancelt.

Last week

Die letzte Woche zeigt mir mal wieder, wie sehr ich Klausurenphasen und Auswendiglernen hasse! Heute habe ich mein erstes Exam geschrieben (Discourse Analysis), mal sehen, was das für eine Note geworden ist, es war doch etwas viel für zwei mickrige Stunden. Vom Ablauf her war alles wie Zuhause – abgesehen davon, dass in der „Johnston Dining Hall“ mal mindestens drei komplett verschiedene Kurse gleichzeitig geschrieben haben und es so gut wie keinerlei Kommentar zu den einzelnen Klausuren gab.

Edinburgh Part II

friedmarsbar

Direkt erst einmal ein Tipp für eure möglichen Trips nach Edinburgh: Das Caledonian Backpackers Hostel ist relativ günstig, sauber genug und bietet gratis Frühstück. Sehr viel überzeugender als das Budget Backpackers, in dem ich im September war.

Da ich dieses Mal die Stadt schon kannte, gab es natürlich nicht mehr so viel Neues zu entdecken. Ich war aber z. B. doch mal oben am Castle (im Januar doch eher leer) und am Grassmarket habe ich auch endlich mal eine „deep fried mars bar“ probiert. Zum Geschmack: Ich glaube mein Blick spricht Bände! Hat zwar eeeetwas an einen sehr schokolastigen Crêpe erinnert, aber halt nur etwas.

Ich verschicke vor meiner Abreise nun übrigens gar keine Pakete. Die wollten für 3,23 Kilo 25 Pfund haben und das ist mir doch etwas zu teuer. Habe nun 15 Kilo meiner Freundin mitgegeben und der Rest muss passen! Sonst wird Unikram als erstes weggeschmissen …

It’s coming to an end

Silvester ist rum, ich bin wieder alleine hier und merke, wie meine Aberdeen-Zeit langsam ihr Ende findet. Zurzeit sollte ich eigentlich lernen (man sieht, wie gut das funktioniert!), denn nächste Woche bekomme ich noch ein letztes Mal Besuch und mache einen zweiten Abstecher nach Edinburgh. Am 16. und 18. folgen dann meine beiden Klausuren und am 19.1. steig ich in den Flieger nach Hause. Ich mache mir schon die ganze Zeit Sorgen, was ich noch alles erledigen muss und vor allem, wie ich meine Sachen in die beiden Koffer kriegen soll, ich hab mit Sicherheit nicht weniger als bei meiner Hinreise … das erste Paket voller Bücher habe ich heute schon verpackt, das zweite folgt dann direkt nach meinem „open book“-exam. Hoffen wir, dass das reicht!

Have yourself a merry little Christmas

Für die Heimatzeitung habe ich etwas über die Weihnachtszeit in Aberdeen geschrieben, da ich die Festtage mit meinem Freund hier verbringe anstatt nach Hause zu fliegen:

Man muss nicht an das andere Ende der Welt fliegen, um ein Weihnachtsfest ganz abseits von Familie und Tradition zu feiern. Zwar setzt man sich auch in Aberdeen, Schottland keine Nikolausmützen am Sandstrand auf, Weihnachten im Vereinigten Königreich ist aber natürlich trotzdem eine ganz neue Erfahrung für so eine Erst-seit-paar-Jahren-ausgezogen-und-Weihnachten-Zuhause-Studentin wie mich.

Das fängt schon in der Vorweihnachtszeit an: In den überfüllten Geschäften ist Michael Bublés Christmas-Album der absolute Spitzenreiter. Man kann diesen Liedern auch nicht wirklich entgehen, denn Outdoorshopping auf ´nem ­­­­Weihnachtsmarkt ist nicht. Aberdeen hat (leider) gar keinen; in ganz Schottland ist wohl nur Edinburgh markttechnisch gut ausgestattet. Kompensiert wird das Ganze mit extrem viel Weihnachtsbeleuchtung in den Einkaufszentren der Stadt. Und ganz viel Deko im eigenen Heim. Wer nicht am ersten Dezembersonntag seinen Plastikbaum stehen hat, ist spät dran! Ich bleibe bei meinem improvisierten Adventskranz und einem Barbie Adventskalender – es gab nicht mehr allzu viel Auswahl, als mir am ersten Dezember bewusst wurde, dass ich, wenn ich schon auf selbstgefüllte Päckchen verzichten muss, wenigstens etwas Schokolade verzehren möchte.

Hat man also die paar Wochen mit viel Shopping, Weihnachtsfeiern, zu wenig Glühwein und einem Verlangen nach Spekulatius und Lebkuchen (gibt’s hier nicht) überstanden, folgt der eigentliche Anlass: Die drei Weihnachtstage. Der 24. Dezember ist hier, wie auch in Amerika, lediglich zweitrangig. Am „Christmas Eve“ stimmt man sich im Prinzip nur auf den folgenden Tag ein, ob mit Partybesuchen oder dem zwanzigtausendsten Christmas Dinner. Der „Christmas Day“ ist dann der Familientag schlechthin. So gut wie alle Geschäfte, Pubs und Restaurants haben geschlossen (unvorstellbar in Deutschland!), weil man sich mit seinen Liebsten in den eigenen vier Wänden aufhält, Geschenke austauscht und vorzugweise Truthahn oder Lachs zu sich nimmt. In meiner Vorstellung schneit es an diesem Tag, denn irgendwie würde so ein Schneesturm den Gemütlichkeitsfaktor noch steigern. Drückt mir die Daumen! Auch wenn Schnee am 26.12. wiederum nicht so praktisch wäre, denn da ist „Boxing Day“. Ich glaube, wir alle kennen die Bilder von in der Kälte wartenden amerikanischen Schnäppchenjägern, weil am Tag nach Thanksgiving (Bekleidungs-) Geschäfte wahnsinnig hohe Rabatte erlassen. Das britische Äquivalent vom „Black Friday“ ist eben der zweite Weihnachtstag und ich erhoffe mir ehrlich gesagt einiges davon. Es gibt hier so viele Geschäfte mit schönen Dingen, die ich letztendlich doch liegen lasse – für den halben Preis wären sie wohl längst in meiner Tasche gelandet. Mit so einem Tagesplan distanziere ich mich dann wohl vollständig von den Weihnachtsfesten der vergangenen Jahre, die größtenteils aus Essen und Familientreffen bestanden. Das wird dann 2013 wieder der Fall sein!

Edit: An Heiligabend geht hier wohl niemand aus. Im Restaurant waren wir quasi allein und auch in den Bars war wenig los / viele Einrichtungen hatten geschlossen. Richtig gefeiert wird wohl nur abends am „Boxing Day“, also am zweiten Weihnachtsfeiertag. Man sollte sich außerdem darauf einstellen, dass auch am 26.12. Lebensmittelgeschäfte geschlossen bleiben. Der SALE findet halt nur in den Bekleidungsshops statt.

Scottish speciality

haggisIch habe mich getraut! Es klingt so furchtbar eklig, aber ich bestellte mir hier in einem Pub tatsächlich mal Haggis. Schmeckt wie körnigeres, bisschen schärferes Hackfleisch. Kann man essen, muss aber nicht sein.

In the Highlands again and end of courses

Letztes Wochenende lag Schnee im „Mainland Europe“ und das hieß für mich / uns, dass zwei Freundinnen aus Deutschland nicht einfliegen konnten. Wie so oft war der billigste Flug mit KLM von Düsseldorf über Amsterdam nach Aberdeen und in Amsterdam ging gar nichts … dadurch wurde alles gecancelt. Echt traurig. Wir fuhren dann trotzdem wie geplant mit dem Bus nach Braemar, eine kleine Stadt in den Highlands. War ganz süß, für mich aber nichts Neues, ich war in dem Teil des Cairngorms Nationalparks schon auf dem Weg zur Isle of Skye. Das Castle da ist auch echt keinen Besuch wert! Anscheinend ist das einzige wirklich coole Castle in Aberdeenshire in Stonehaven, abgesehen vom Balmoral Castle der Queen, welches aber nur im Sommer geöffnet hat (und sonst sieht man wirklich NICHTS). Ansonsten war heute tatsächlich mein letzter Unitag, das heißt außer lernen (Klausuren am 16. und 18.1. – in der vorletzten Woche gab es dann auch endlich mal die Daten) bzw. Weihnachtsferien steht nicht viel an. Heute Abend aber Birds in Row!

Außerdem wollte ich mal eine Liste anfangen, mit allem, was mir hier an Essen fehlt. Ich werde sie immer mal ergänzen. Für diejenigen, die sich etwas Proviant mitnehmen wollen für ihr UK/Aberdeen Auslandssemester, oder all diejenigen, die mal ein bisschen stolz auf Deutschland sein wollen.

Nicht vorhanden / nur sehr begrenzt vorhanden: Apfelmus, Apfelstrudel, Curryketchup, Gouda, Graubrot, Kroketten, Lebkuchen, Marmorkuchen (die Briten kennen vier, fünf Kuchen and that’s it), Mayonnaise, Vanillepudding, Schweineschnitzel, Sekt, Spekulatius, wirklich süßes Popcorn.

Collect Delivery Office

Man lernt doch jede Woche neue Eigenarten der schottischen / britischen Kultur kennen. 1. Schotten mögen es, Menschen zu versteigern. Nachdem es zur „Date-Auktion“ schon ein ganz eigenes Event gab, wurden bei einer Benefiz Modenschau dann gleich auch mal Klamotten und Models versteigert. Wollte aber niemand so recht – das war einer dieser Fremdschämen-Momente.

2. Daran, dass der Postbote Briefe einschmeißt, auch wenn der Name nicht auf der Klingel steht, habe ich mich schon gewöhnt. Ob ich es so super finde, dass auch Päckchen leichtfertig durch den Türschlitz des kompletten Hauses geschubst werden, wusste ich bisher noch nicht. Als ich heute im Regen 25 Minuten zum Delivery Office laufen durfte, um ein Paket abzuholen, was nicht durch den Schlitz gepasst hat, war ich glücklich, dass wenigstens meine dämlichen Amazon Unibücher sofort ankamen. Schließlich bekommt man nicht immer eine nette Sendung aus der Heimat, die einen nach so einem tollen Spaziergang wieder aufmuntert.

Converge & Touché Amoré in Glasgow

Noch ganz angefixt von der Londoner Basement-Show machte ich mich nun zwei Wochen später auf den Weg nach Glasgow. Während ich für das Tourpackage rund um Converge und Touché Amoré normalerweise nur 70 Minuten gefahren wäre, kostete es mich so 3.5 Stunden – für eine Strecke. Und das auch noch mutterseelenallein, denn es ist sowieso schon schwer, Leute in dieser kurzen Semesterzeit richtig kennen zu lernen und Menschen, die gleichzeitig auch noch so einen Musikgeschmack haben wie ich? Nahezu unmöglich. Aber was soll’s, ich wollte die Bands ungern verpassen und Glasgow stand eh noch auf meiner „To see“-Liste. Bevor die Show beginnen sollte, hatte ich ca. drei Stunden in der größten Stadt Schottlands. Allzu viel an touristischen Sehenswürdigkeiten hat Glasgow nicht zu bieten, dafür gibt es aber gleich zwei riesige Shoppingcenter (ein drittes wird gerade gebaut!) und zur Weihnachtszeit auch ganz viel bunte Beleuchtung. Gut für die ersten Geschenkbesorgungen also.

Die Konzertlocation „Classic Grand“ war dann direkt am Hauptbahnhof, sodass ich befürchtete, die Bühne würde sich im Keller befinden. Wir wissen alle, was das heißt: Kein Handyempfang (und schlechte Luft, ja). Aber nein, sie befand sich über der Erde, weit darüber. Ich glaube die Haupthalle war letztendlich im dritten Stock, die Garderobe eins darüber und die Toilette ganz oben. Locationtechnisch hatte ich eh den Jackpot geknackt: in Köln spielten die Bands in der Essigfabrik mit ordentlich Absperrung, während in Glasgow einfach mal nur eine kleine 30 cm Erhöhung als Bühne herhalten musste – in einem viel kleineren Raum. Und wer keine Lust hatte, vorne mitzumischen, konnte sich an den Seiten erhöht hinstellen. Glücklicherweise waren auch die beiden Bands super, wegen denen ich gekommen war. Touché Amoré spielten ihre gewohnte Setlist und konnten damit eine Stimmung verursachen, als würden sie Zuhause in Los Angeles spielen. Converge wurden für jeden ihrer Songs abgefeiert und Vocalist Jacob Bannon wirkte dabei unglaublich gut gelaunt. Es liegt wohl an den nicht vorhandenen Sprachbarrieren, dass ich amerikanische Bands im Vereinigten Königreich als viel wortgewandter erlebe, als auf dem europäischen Festland. Dafür sind wir Deutschen kollegialer und tragen keine schmerzenden Rucksäcke auf Shows. Außerdem zahlen wir weniger fürs Merchandise – denn bei den Verkaufspreisen gilt „wie in Euro so in Pfund“. Da hat man die teurere Anreise ja fast wieder raus …

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Video-Link: http://www.youtube.com/watch?v=5kFw2InOPDY
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Christmas Lights Switch On Parade

5.30 Uhr, Union Street. Überall kleine Kinder, Leuchtstäbe und Straßensperrungen. 5.45 Uhr, Union Street. Dudelsäcke, Christbaumkostüme, Planwagen. Wir befinden uns bei der jährlichen Weihnachtsparade anlässlich des Anschaltens der bunten Beleuchtung in der Stadt. Abgesehen von den Lichtern ist aber nichts festlich, es gibt nicht einmal Weihnachtsmusik und unsereins wird aufgrund der komischen Kostüme an die Narren aus Köln erinnert. Da verbreitet der hiesige Starbucks ja mehr Weihnachtsstimmung. Schöne Deko allerdings!

„This is probably my last chance – mine, too“

Dieses Wochenende ging es für eine Nacht nach London, um die letzte Show von BASEMENT zu sehen (siehe Blogeintrag). Statt für den Megabus entschied ich mich fürs schnellere Fliegen mit Easyjet, wenn man aber Flughafentransfer, Boardingzeit etc. zusammenrechnet, ist man von Aberdeen aus trotzdem gute 5 bis 6 Stunden unterwegs (flog nach Gatwick und von Luton). Also ist die Anreise im Prinzip wie von Deutschland aus, wobei die Flugzeit an sich sogar noch etwas länger ist (1 Std 25 Min).

Grund meiner schlaflosen Nächte

Sonnenuntergangsausblick

Ines‘ doctor odyssey

Wie ja bereits berichtet, verstauchte ich mir vor ungefähr einem Monat mein rechtes Sprunggelenk. Da ich immer noch Schmerzen beim Laufen habe, wollte ich gern noch einmal einen Arzt drüberschauen lassen. Leichter gesagt als getan! Um hier in einer Praxis behandelt zu werden, muss man sich nämlich zunächst einmal bei einem GP (General practitioner) registrieren lassen. Für Studenten, die nur ein halbes Jahr im Vereinigten Königreich sind, wird das eigentlich nicht empfohlen, aber ich rate allen, die auch sonst keine sechs Monate ohne Arzt auskommen, es einfach mal zu tun. Das verlangsamt den gesamten Heilungsprozess nämlich erheblich, wenn es dann mal akut wird. Ich hatte erst einmal gar keine Ahnung, zu welchem Arzt ich eigentlich muss und rief einfach mal bei dem an, der auf meiner Universitätswebsite empfohlen wird. Nach dem Check der Postleitzahl sagten sie mir auch direkt, ich solle doch mal vorbeikommen, um die nötigen Papiere abzuholen. Gesagt, getan und so ging es zwei Tage später zum Termin für den Health Check. Ich brauchte dafür einen „Proof of address“, was hierzulande eine Rechnung ist, die mit deiner Anschrift an dich versendet wurde. Da ich hier nur auf Handschlag wohne, nahm ich einfach mal die Rechnung mit, die an meinen Landlord ging. Zählte nicht. Lustigerweise fiel der Nurse dann aber auf, dass ich sowieso nicht in die Praxis muss, sondern in eine fünf Minuten entfernt von mir (statt 20 Min. Fußweg). Also schnurstracks dahin, mit einer Postkarte in der Hand und der Hoffnung, dass das als Adressnachweis reicht. In dieser zweiten Praxis waren alle gleich viel netter und die private Post wurde wegen meiner Spezialsituation ausnahmweise angenommen. Einen Tag später durfte ich dann zum Health Check (Wiegen und Messen) und zwei Tage später zum Arzt. Der guckte sich meinen Fuß an und stellte fest, dass das ein Fall für A&E (accident & emergency) ist. Und das heißt wiederum, dass ich zum zweiten Mal zum weit entfernten Foresterhill Krankenhaus muss, die einzige Stelle für Notaufnahmen im Umkreis von Hunderten von Kilometern. Der nette Arzt fährt mich persönlich in seinem Jaguar dorthin, ich warte DREIEINHALB Stunden, bekomme gesagt, dass meine Bänderüberdehnung halt acht Wochen dauert, ich einfach mehr Schmerzmittel nehmen soll und fahre mit dem Bus über die Stadt nach Hause. Und ihr so?

Guy Fawkes Night

Rund um den 5. November ist hier immer Bonfire / Guy Fawkes Night. Das hieß für mich: Feuerwerk am Strand, musikalisch unterlegt von verschiedenen James Bond Themes. War echt schön, hat aber schon sehr stark an Silvester erinnert (auch von der Kälte her). Interessant war auch, wie Schotten öffentliche Events organisieren: Während bei uns Taschenkontrolle, Glühweinstände und Vollabsperrungen gewesen wären, gab es hier nur ein paar Dixie Klos, den Zaun vorm Feuerwerk und ein, zwei Straßensperrungen. Und nach der halben Stunde Feuerspektakel liefen alle direkt brav nach Hause.

Happy Halloween!

Ich vermisse mein Zuhause – denn da hätte man sich nicht verkleiden müssen. Hier in Aberdeen ist morgen nicht einmal Feiertag, aber trotzdem geht ungefähr jeder irgendwohin (da ich diese Woche ja keine Uni habe, interessiert mich das natürlich eh herzlich wenig). Dass ich keine Uni hab, heißt übrigens auch, dass die Vorlesungszeit nun schon zur Hälfte um ist. Das ging schneller als erwartet!

Essays …

Nachtrag vom 26. Oktober: ES SCHNEIT! Doch eher unerwartet so früh.

Was sonst noch passiert: Nachdem ich mal wieder zauberhaften Besuch hatte, geht nun der ernste Teil des Studentenlebens los: Bis zum 2. November muss ich zwei 2000 – 2500 Wörter Essays abgeben und da ich das noch nie getan habe (und dementsprechend viel zu viel Material für fünf Seiten habe), bin ich gerade gut beschäftigt. Mal sehen, was das so wird … Immerhin habe ich deswegen 1.5 Wochen lang keine Uni und kann meinen Fuß schonen, denn leider kann ich immer noch nicht vernünftig laufen.

Übrigens brauchen Karten von Aberdeen nach Deutschland über zwei Wochen, das hat mich schon ein bisschen schockiert. Da ist ja Post aus Amerika schneller.

Sprained ankle

Bin beim Badminton am Montag umgeknickt und hab mir direkt mal den Fuß verstaucht. Hallo Krankenhaus-Ambulanz, hallo Krücken. Habe schon bessere Wochen erlebt. Skype und „2 Broke Girls“ sei Dank langweilte ich mich aber zumindest nicht ganz zu Tode. Zurzeit lerne ich wieder laufen …

The Scots

Diese Woche bekam ich Besuch, ich mag Besuch. Wir gingen shoppen und wanderten zum Duthie Park, der momentan dummerweise restauriert wird. Ich aß zum ersten Mal Penguins und saugte sie direkt fachgerecht mit Tee auf. Das war sehr lecker, ähnlich den viel gepriesenen Tim Tams aus Australien! Außerdem wurde die Night Out meiner Badminton Society besucht. Vom „gesitteten Feiern“ habe ich eventuell etwas andere Vorstellungen. Immerhin besitze ich jetzt ein bemaltes Shirt.

Last but not least: Ich bin jetzt seit einem Monat in Aberdeen und möchte euch doch einmal daran teilhaben lassen, was ich so über die werten Schotten gelernt habe.

Schotten …

– sind sehr viel höflicher als wir. Das zeigen schon allein die Busunternehmen: Bei uns steht lediglich „Dienstfahrt“, hier: „Sorry, not in service“. Entschuldigen können sich die Schotten aber sowieso ganz gut – du hast das Anrempeln nicht einmal gemerkt und dein Gegenüber tut, als wäre es der Weltuntergang. Vielleicht ist das aber auch nur ein Vorwand, um mit dir ins Gespräch zu kommen. Schotten unterhalten sich nämlich leidenschaftlich gerne mit Fremden.

– tragen tatsächlich noch immer Kilt. Ob zum Fußballspiel oder zur Hochzeit der Nachbarin.

– haben Haustüren, die man nur mit zwei Händen öffnen kann.

– können nicht pflastern. Selbst normale Bürgersteige ähneln dem schlimmsten Kopfsteinpflaster. Ich warte noch auf den Moment, wo ich wirklich komplett auf dem Boden liege.

– bilden eine Schlange an Bushaltestellen und halten diese Reihenfolge penibel ein. Wehe dem, der nicht weiß, dass die Oma vor dem Kopfhörertyp, aber nach der Businessfrau vor Ort war!

– akzeptieren selten Trinkgeld. Selbst wenn ich noch einmal ausdrücklich darauf hinweise, dass das schon alles passt, bekomme ich meine Münzen wieder.

– fahren kein Fahrrad. Da die Radfahrwege meist der Busspur weichen müssen, ist dies aber wohl im Interesse der Verkehrspolizei …

– akzeptieren keinen Personalausweis beim Alkoholkauf. Der gute, alte Perso ist hier nämlich keine „identity card“, Führerschein und Reisepass jedoch schon. Äh, ja.

– können nicht beschildern. In Schottland findet man – mit Ausnahme der Straßennamen –ohne Ortskenntnis absolut gar nichts. Das liegt allerdings nicht an der Menge der Schilder, sondern vielmehr an der Platzierung eben jener. Dass die Turnhalle mit der Beschriftung „Sports Village“ das „Sports Village“ ist, konnte ich mir in der Tat denken.

– verpassen so einiges an kulinarischen Delikatessen. Hier gibt es weder Schweineschnitzel, noch Curryketchup, Gouda oder Apfelmus. Das macht mich persönlich tieftraurig.

– überqueren Straßen diagonal. Macht Sinn, wenn man dies auch möchte. Wenn nicht, so sind die Wartephasen qualvoll lang. Die Grünphase hingegen so kurz, dass nicht mal junge und fitte Studenten das „Rot“ vermeiden können. Vielleicht wird den Ampeln deswegen nur begrenzt Beachtung geschenkt.

– trennen keinen Müll und recyceln nur angeblich. Flaschen, Altpapier, Dosen – all das wirft man hier in die grüne Tonne. Diese Tonne gibt es allerdings nur an eigens ausgeschilderten Orten. Wer sammelt extra all sein grünes Gut und läuft mindestens zehn Minuten zum Eimer, ohne dafür Geld zu bekommen? Genau.

– haben absolut kein Kälteempfinden. Jacken werden – wenn überhaupt – offen getragen und Ballerinas gehen auch noch im Oktober als Standardschuhwerk durch. Am beeindruckensten ist aber die Feierkluft der Schottinnen: Die jungen Frauen verzichten auch im Winter nicht auf ihre super knappen Hotpants und die weit ausgeschnittenen Tops. Die Tausend-Zentimeter High Heels werden beim Rückweg außerdem ausgezogen. Barfuß bei 5 Grad, das machen wir doch auch alle gerne.

– sind ganz schön aufdringlich. Südländer werden beim Feiern bekanntermaßen gern mal etwas aktiver, die schottischen Jungs sind allerdings auch nicht ohne. Man muss sich beim Tanzen darauf einstellen, andauernd angesprochen zu werden. Verstehen wird man allerdings nichts, dafür ist die Musik in allen Bars und Clubs generell viel, viel, viel zu laut.

It’s on!

Wenn mir die erste Woche Uni eins gezeigt hat, dann, dass irgendwie fast alles so ist wie in Bonn – gleiches Lernniveau, gleiches Chaos, allerdings weniger Präsenzzeit und mehr Leseaufwand. Von meinen drei Kursen finden bis zum 8. November nur zwei statt, das heißt für mich: Montag zwei Stunden, Dienstag vier Stunden, Mittwoch frei, Donnerstag frei, Freitag eine Stunde. Ich überlege fast schon, doch arbeiten zu gehen, denn bis ich richtig in dem Unitrott drin bin, dürfte endlos dauern. Mich werden wohl erst die Essays Ende Oktober von meinem Faulenzerleben abbringen. Immerhin kam ich endlich dazu Badminton zu testen – hallo Muskelkater des Todes – und ich erlebte das schottische Wetter von seiner allerliebsten Seite: Anfang der Woche war „heavy weather warning“, weil es so unglaublich stürmisch war. Schlafen war ein Ding der Unmöglichkeit, trocken irgendwohin kommen auch. Immerhin blieben wir hier von den Überschwemmungen verschont. Heute wird mal wieder ein Aberdeener Club getestet, leider schon wieder mit einem Charts-Dance-Mainstream-Mist-DJ. Keine Ahnung, wo man hier gescheiten Electro bekommt.

Noch ein bisschen Erasmus-Organisationskram zum Schluss:

  • Die Entscheidung für eine WG war definitiv richtig. Ich höre immer wieder, wie doof das Leben in den Halls ist und dass dort nur Erstis und Internationals rumhängen. Außerdem ist es von dort echt weit in die Stadt und Geld spart man bei seiner Unterkunft nur begrenzt. Klar, Leute kennen lernen ist ohne Wohnheim definitiv sehr schwer – wer quatscht schon freiwillig fremde Mitstudenten in seinen Kursen an. Nette Mitbewohner und Societies sind daher essentiell. Fast jeder Erasmusmensch geht in die International Society, weil man damit relativ günstig Schottland erkunden kann. Da ich schon so gut wie alles vom Land gesehen habe, macht das für mich keinen Sinn, aber auch sonst würde man dort ja sowieso wieder nur in die berühmte „Erasmusfalle“ tappen. Probiert’s mit Sport!
  • Das Certificate of Arrival habe ich immer noch nicht. Ihr solltet genug Geld mitbringen / angelegt haben und euch nicht auf die Erasmushilfe verlassen. Apropos Geld:
  • Heute kam der PIN für meine neue Bankkarte an, eventuell bin ich dann nach fast einem Monat endlich mal in der Lage ohne meine Mastercard Geld abzuheben … Wenn ihr dank Gratis-Bargeld-bei Barclays-Verprechen zur Deutschen Bank wechselt, lasst euch bloß vorher ein Auslandslimit für das richtige Land festlegen. Und testet es direkt nach Ankunft, denn irgendetwas wird dann trotzdem nicht funktionieren.

Freshers‘ Week

­Dass ich in der ersten richtigen Erasmuswoche die ganze Zeit hin und her rennen würde, hatte ich schon erwartet, wie oft ich aber tatsächlich die 20 Minuten zwischen Uni und Wohnung gehen würde, war mir wohl doch nicht so ganz bewusst gewesen. Direkt am Montag war Erasmus-Info, wo allerdings an nützlichen Informationen à la „was kann ich alles mit meiner ID Card machen?“ vollends gespart wurde, sodass außer „make the most of your stay“ diese Veranstaltung überhaupt keiner Wichtigkeit zugemessen werden kann. Danach musste dieses nervige „Certificate of Arrival“ ausgedruckt werden, was gar nicht so einfach ist, wenn man sich dazu entschlossen hatte, den Drucker zu Hause zu lassen und gleichzeitig aber noch nicht in Besitz des Studentenausweises ist, um die passenden Geräte nutzen zu können. Meine beiden Bonner Mitstudentinnen kennen allerdings einen Engländer, der letztes Jahr in Bonn war – und er stand per Zufall genau an dem Drucker, den wir in der riesigen Bibliothek aufgesucht hatten. So war dieser Wisch vorerst erledigt, noch keine Ahnung, wann die dazugehörige Unterschrift getätigt werden kann. An alle anderen Erasmus-People: Druckt  dieses Ding einfach vor eurer Abreise aus … ich hab das immer nicht beachtet, weil das auf der Checkliste „after your arrival“ angegeben war.

Dienstag ging es dann zum sehr gefürchteten „Diagnostic Test“. Wir sollten irgendein schottisches Gedicht hinsichtlich seiner Sprache analysieren, das war nicht ganz einfach, aber irgendetwas fiel einem schon ein (der Spanierin neben mir nicht). Sowieso wurde mir direkt bewusst, wieso ich mit anderen Erasmus-Studenten möglichst wenig zu tun haben möchte … Die viel zu frühe Anfangszeit des Tests war dann immerhin insofern gut, dass wir direkt danach zur „Party on the lawn“ konnten – zu einem großen Zelt mit lauter Sachen umsonst („Freebies“). Jetzt habe ich gleich zwei Flaschenöffner und gratis Pizza, Smoothies und Chips gab‘s auch.

Weil ich so intelligent war, meinen Haustürschlüssel kaputt zu brechen, musste ich dann auch mal wieder in die Stadt latschen – wo aber sowieso abends die „Culture Fayre“ anstand. Diese Veranstaltung war zwar insgesamt viel zu überfüllt und eigentlich nicht der Rede wert, sie konnte jedoch mit „Yum Yums“ aufwarten, einer Berliner-artigen, süßen Traditions-Backware, welche von nun an zu meinen schottischen Lieblingsessen zählt (bzw. die bis dato einzige mir schmeckende schottische Spezialität darstellt.) Mittwoch folgte die Societies Fayre, welche ebenfalls völlig überlaufen war und so bleibt mir nur das Informationsheft für die Auswahl meines künftigen Hobbies. Badminton konnte ich danach nämlich auch nicht testen, weil die „Give it a go Session“ direkt mal ausgefallen war. Klasse.

Damit einem das hier doch ein bisschen wie Uni vorkommt, musste ich Donnerstag dann zu meinem „Adviser of Studies“, welcher einem die passenden Kurse bestätigen muss. Den Test scheinen zumindest die meisten deutschen, österreichischen und schweizerischen Erasmus-Studenten bestanden zu haben und so vergaß der nette Mr. Wills direkt mal, mir das Ergebnis mitzuteilen und begann mit dem Heraussuchen meiner Wunschkurse. Auf Nachfrage bestätigte er dann, dass alles glatt gelaufen war und ich meine drei Kurse belegen kann. „American Literature to 1900“ und „Discourse Analysis“ aus dem 3. Level sowie „Morphology“ aus dem 2. Level übersteigen zwar den normalen Aberdeener Workload, ich habe aber gar keine andere Wahl, wenn ich kein siebtes Semester dranhängen will. Und wer will das schon. Außerdem gab es danach endlich mal den hässlichen Studentenausweis – das tolle „Certificate of Arrival“ war allerdings auch immer noch nicht unterschrieben, als wir extra nochmal am Nachmittag ein weiteres Mal die Uni aufsuchten. Vielen Dank dafür!

Abends sollte dann auf Initiative meiner Mitbewohnerin gefeiert werden, ich probierte „Sloe Gin“ mit Fake-Sprite (ein typisches Mädchengetränk) und wir gingen in den Institute Nightclub. Dass die Schottinnen gern mal etwas leichter bekleidet durch die Gegend laufen, war uns zwar schon bewusst geworden, mit welcher Normalität dort aber die Jungs und Mädels aufs Härteste flirten und rummachen, war mir aber noch neu …Da bin ich ja schon froh, dass die anderen Parties der „Freshers Week“ ausgelassen wurden.

Formalitäten, Freshers Freebies, Party … es fehlte an den ersten Tagen an Kultur und so nahmen wir anlässlich des Geburtstags einer meiner zwei Bonner Freundinnen den Zug nach Stonehaven und wanderten zum „Dunnottar Castle“. Mit der Besichtigung dieser schottischen Kultur-Kleinstadt, habe ich dann auch schon so ziemlich alles abgehakt, was ich überhaupt während des Auslandssemesters sehen wollte. Nur noch ein Trip nach Glasgow fehlt, den ich anhand meines Kontostandes aber vielleicht noch etwas hinauszögern sollte. Die „Startausgaben“ erreichten nämlich heute mit dem Kauf der ersten zwei Uni-Bücher einen Höhepunkt, den ich mir niemals erträumt hätte. Aber ein solches Semester macht man ja nur einmal im Leben … oder so.

Edinburgh vs. Aberdeen

Edinburgh ist die Hauptstadt von Schottland und doch hat es so gar nichts mit Berlin, London und Co. gemeinsam. Die Shoppingläden auf der Hauptstraße schließen spätestens um halb sieben, nach guten Pubs und Bars muss man suchen und die vielen Parks mittendrin lassen die Stadt noch verschlafener wirken. Dafür ist Edinburgh aber auch die „City of the dead“. Neben den schönen Altbauten ist die Stadt nämlich besonders wegen ihrer Gruselgeschichten einen Kurztrip wert: Auf dem Greyfriars Friedhof wurden früher Leichen ausgegraben und Religionsverfechter gefoltert, die Princess Street Gardens waren vor langer Zeit mal ein Todesgrab für Hexen und das Sprichwort „it’s raining cats and dogs“ könnte daher kommen, dass die toten Tiere bei Regen von den Hügeln Edinburghs heruntergespült wurden. Mit derartigen Stories kann jeder der Stadtführer aufwarten und wir Touristen hören gespannt zu – so etwas hört man schließlich nicht alle Tage. Ansonsten ist Edinburgh wahrscheinlich besonders für Harry Potter Fans interessant, schließlich schrieb dort J. K. Rowling an ihrem ersten Buch und ließ sich inspirieren. Für mich als Nicht-Anhänger gab es ansonsten noch das Castle, welches dank 16 Pfund Eintritt nur von außen angeschaut wurde, und die restlichen Standardsehenswürdigkeiten – kann man sich gut und gerne mal anschauen, für die Stadt muss man aber echt nicht extra aus Deutschland anreisen. Ist man eh gerade in Schottland unterwegs, so hat man zumindest keinen teuren Anreiseweg: Die Megabus-Reisebusse sind so günstig und schnell unterwegs, dass sich nicht einmal ein Mietwagen lohnen würde.

Die darauffolgenden Tage wurde dann noch einmal Aberdeen unter die Lupe genommen, insbesondere das Shoppingcenter „Union Square“ sowie Strand und Häuschen in „Old Aberdeen“. Außerdem hätte ich gerne ein Fahrrad geliehen, aber wenn ich mir keinen Drahtesel aus Einzelteilen zusammenbauen möchte („kann“ wäre wohl das geeignetere Verb), hat sich das erst einmal erledigt. Da muss wohl ein Busticket her, 20 Minuten Fußweg zur Uni möchte ich bei den derzeitigen Wetterverhältnissen (Wind! Und Regen. Und Wind!) nicht jeden Tag haben. Ab morgen dann „Freshers‘ Week“ und Erasmus-Organisationskram. Der „Urlaub“ ist wohl erst einmal vorbei.

6. September – 10. September und Vorgeplänkel

Vor der Abreise

Aberdeen, Schottland. Die Ölhauptstadt Europas, die „Silver City“ voller Granit-Häuser, die „Flower City“ mit ganz viel Grün. 200.000 Einwohner. Ich war noch nie in Aberdeen, ich war noch nie in Schottland und trotzdem verbringe ich bald fünf Monate dort. „Auslandssemester“ nennt sich diese Zeit im Volksjargon und als Anglistikstudentin ist so etwas quasi Pflicht. Schließlich ist es schon ein bisschen merkwürdig, drei Jahre lang eine Fremdsprache zu studieren, jedoch nie länger als zwei Wochen deutsche Gefilde verlassen zu haben.

Dementsprechend stand für mich fest, dass ich das fünfte Semester nicht in Bonn studieren werde. USA, Australien, Kanada – alles interessante Orte, für die kurze Zeit aber irgendwie zu viel Aufwand. Das Vereinigte Königreich sollte es werden und so bewarb ich mich für ein Erasmus-Stipendium an der Universität Aberdeen. Bis Ende Januar mussten lauter Unterlagen eingereicht werden: Motivationsschreiben, Lebenslauf, Notenübersicht und das Gutachten eines Dozenten. Wer ungefähr 220 € im Monat bekommen möchte, muss ganz schön viel tun. Nach der Institutsbewerbung folgt die Anmeldung beim International Office, dann die Bewerbung bei der Uni an sich, mit Erasmus-Bescheinigung und Learning Agreement. Kurzum: Formalien-Hick Hack, wohin das Auge schaut. Nachdem dann klar war, dass ich mit Erasmus an meiner Wunsch-Uni studieren darf, wurde die Arbeit nicht weniger. Schließlich kann ich ja nicht in der Uni pennen. Die Wohnheime sehen mit ihren exorbitanten Preisen und 20-Leute-auf-dem-Gang-aber-Klo-putzt-ihr-euch-selber-Angebot allerdings auch nicht gerade überzeugend aus. Mit dem Wohnheimplatz als Notlösung suchte ich also via Internet nach einer Alternativ-WG. Gerade noch rechtzeitig, um den Notvertrag zu canceln, fand ich dann auch irgendwann ein Angebot. Zwar mit ebenso exorbitantem Preis (mein kleines Zimmer kostet ca. 320 Pfund), aber immerhin sowohl uni- als auch zentrumsnah. Die Kommunikation mit Lindsay, meiner neuen Mitbewohnerin, lief größtenteils über Facebook, meinen neuen Mitbewohner Bardur kenne ich noch überhaupt gar nicht. Ein bisschen Überraschung bleibt also …

Als dann irgendwann Drogerie-Großeinkauf, Arbeit und Co. abgehakt waren und die Abreise immer näher rückte, war das Kofferpacken unvermeidlich. Ich bin schon in der Luxuslage zwei Koffer mitnehmen zu dürfen, aber das ganze (Winter-)Leben in zwei Gepäckstücken zu verfrachten, kostete mich letztendlich einige anstrengende Stunden. Donnerstag, den 6. September hieß es dann aber: Alle Aufgaben erledigt, der Abflug-Abend ist nah. Da meine Eltern sich auch mal Schottland anschauen wollte, kamen die als „Starthilfe“ einfach direkt mit. Wir erreichten den Flughafen also dementsprechend mit drei Koffern, zwei Rucksäcken, einer Trainingstasche und zwei Handtaschen. Und ja, der Parentalgeneration gehörte davon nicht allzu viel. Dummerweise waren die Koffer dann auch noch zu schwer; mindestens der eine musste leerer gemacht werden, um 70 € „Strafe“ zu entgehen. Das hieß für uns: Umpacken direkt am Check In. Als Folge davon landete meine Nachttischlampe im Handgepäck und prompt musste sie bei der Kontrolle auf Sprengstoff überprüft werden. Wir waren drei Stunden vor Abflug am Flughafen und hatten trotzdem so gut wie keine freie Minute – aber dafür besitze ich nun in Schottland Dinge wie Mayonnaise, Weckeranlage und Schminkvorrat …

Ankunft

Meine Mitbewohnerin holte uns direkt vom Flughafentaxi ab und nach einigen kurzen Worten und Absprachen war sie auch direkt wieder weg. Einen netten Eindruck hat sie trotzdem hinterlassen. Danach wurde erst einmal die leere Wohnung begutachtet, ausgepackt und aufgeräumt. Ich scheine Glück zu haben, bis auf den Backofen sind keine dreckigen Totalausfälle dabei und mein Zimmer lässt sich mit ein paar Fotos und persönlichen Kleinigkeiten gemütlich einrichten. Bei der Stadterkundung am nächsten Tag wird klar, dass auch die Lage top ist. Zur Uni sind es zu Fuß nur 20 Minuten, nach Aberdeen-City auf der anderen Seite allerhöchstens ebenfalls. Der Strand ist tatsächlich noch näher. Da hat aus der Ferne ja schon einmal alles geklappt!

Die ersten Eindrücke von Schottland

„Pubs. Kirchen. Regen. Davon hat Aberdeen genug, “ steht in meinem schottischen Krimi und so ganz falsch ist das nicht, auch wenn wir den ersten Tag noch mit Sonne erleben durften. Das Stadtbild wird tatsächlich von lauter kleinen, schlichten Kirchen geprägt und auch die typischen Pubs / Bars / Restaurants sind nicht zu übersehen. Ansonsten hat Aberdeen alles an Shops zu bieten und ist prädestiniert für spätere Einkaufstouren. Bis auf die große Shopping Mall sind natürlich alle Geschäfte stilecht in grau gehalten.

Man merkt, dass Touristen eher eine Seltenheit sind, es gibt wenige Hotels und noch weniger Souvenirshops. Bei meinem Kauf einer schottischen SIM-Karte mit mobiler Internetflat war der Verkäufer ganz erstaunt, als er auf einmal ein Smartphone mit deutschen Spracheinstellungen in den Händen hielt. Und bei der ersten Besichtigung der Universität in der Altstadt dachten alle Mitarbeiter, wir wollen zur Naturwissenschaftskonferenz. Komisch, dass auch zwei Wochen vor Unibeginn niemand erwartet, dass sich irgendwelche Studenten die Uni anschauen wollen … Apropos Uni: Der Haupt-Campus (King’s College) bildet mit seinen traditionsreichen, ehrwürdigen Gebäuden einen absoluten Kontrast zu der hypermodernen Architekturspielerei innerhalb und außerhalb der Bibliothek. Das riesige Glasgebäude mit seinen sieben Stockwerken bietet einen kompletten Blick über Aberdeen und außerdem zahlreiche Computer-Schreibtische für die armen hausarbeitsschreibenden Studenten. Ich werde dort auch noch meine Stunden verbringen …

Weil der Uni-Alltag aber noch ein bisschen auf sich warten lässt, ging es erst einmal zur Isle of Skye. Neun Stunden Hinfahrt waren dank des Abstechers durch den Cairngorms Nationalpark zwar etwas lang, dafür bietet einem die wenig bevölkerte Insel im Atlantik aber das Schottland, welches man aus Büchern kennt: Moos-Berge, Felsen und Schafe, wohin das Auge schaut. Das Dorf von unserer Unterkunft hatte außerdem noch eine ziemlich witzige Aktion am Laufen: Den „Tattie Boogie Trail“, einen Vogelscheuchen-Pfad. So gut wie alle Häuser gestalteten ihre persönliche Vogelscheuche, es gab von Harry Potter über eine Queen-Karrikatur mit Knarre bis hin zu John Lennon & Yoko One und KISS so gut wie alles. Ein unerwartetes, lustiges Highlight! Mein zweites Highlight waren die furchtbar süßen Highland Cows, nur dumm, dass ich eine davon noch den Abend zuvor auf meinem Highland Burger verspeist hatte … Ansonsten habe ich durch diesen Ausflug erst einmal alles Relevante schottischer Natur gesehen: Wasserfälle, hohe Berge, unbesiedelte Ecken, Destillerien, Wanderpfade, Schafe, Schafe und nochmals Schafe.

Jetzt folgt ein Abstecher nach Edinburgh und dann naht so langsam aber sicher der Uni-Beginn. Mit alles entscheidendem Einstufungstest, endgültiger Auswahl der Kurse und Willkommensveranstaltungen. Es bleibt interessant!

10 Kommentare

  1. 19. April 2013 / 13:48

    Wunderbar – ich mag dein Blog! Dieser Eintrag hier hilft mir besonders, weil ich im August eine self-drive Tour durch Schottland mache und wir nach und von Aberdeen fliegen :) Bin schon sehr gespannt!

    • 19. April 2013 / 14:04

      Na das passt ja dann echt! Kannst dich gern bei Fragen an mich wenden. Noch ein Nachtrag zu Edinburgh, falls du Fleischesser bist: Oink am Grassmarket ist super lecker.

      • 19. April 2013 / 14:14

        Ui, hört sich gut an! Werd ich mir mal aufschreiben :) Und bei Fragen komm‘ ich auf dich zurück! Danke!

  2. 5. Mai 2013 / 19:21

    was machst du da so in deiner self-drive tour, ich wollt auch gern ma da ein parr jahre verbringen

    • 5. Mai 2013 / 21:24

      Mh, also Jahre war ich da ja nicht, dann hättest du ja alle Zeit der Welt. Lohnenswert sind auf jeden Fall die drei großen Städte (Edinburgh, Glasgow, Aberdeen), Isle of Skye und entweder die Highlands oder hoch im Norden um Inverness rum.

  3. 11. November 2013 / 14:21

    Ach cool, ich hatte ursprünglich auch überlegt mein Auslandssemester in Schottland zu machen. Letztendlich hab ich mich dann aber für Island entschieden :)

  4. 27. April 2014 / 18:02

    Kann doch nicht sein. Dein Erstfach ist mein Zweitfach (heißt nur nicht 1 zu 1 so.)

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