Was wurde im Vorfeld gemeckert. Was wurde währenddessen gemeckert. Was wird im Nachgang gemeckert. Eine etwas andere Sicht zum Berlin Festival 2014 auf dem Arena-Gelände – von einer unvoreingenommenen (da niemals zuvor dort gewesenen), mit-elektronischer-Musik-zu-begeisternden Person.
Freitag
Der Auftakt des Berlin Festivals wirkte wie ein ganz normaler Freitagabend: Die gewöhnlichen 45 Berlin-ÖPNV-Minuten mit Wegbier unterwegs und dann etwas tanzen. Festivalfeeling? Fehlanzeige. Am ersten Tag des Berlin Festivals war im Nachhinein betrachtet nämlich alles noch etwas unfertig. So wurde nur kurz der Name gegen das Festivalbändchen getauscht und am Club der Visionäre vorbei vor Badeschiff & Co die Einlasskontrolle passiert. Art Village, Essensstände, massenhaft Menschen – würde alles erst Samstag erscheinen. Die fehlenden Infos allerdings nicht: man wusste nie, welcher Eingang oder Ausgang gerade offen bzw. gesperrt war und ob Bands wie geplant auftraten oder Einlassstop war. Für sowas wäre die News-Funktion der App nützlich gewesen, doch Push-Benachrichtigungen führten stets ins Leere.
Die persönlichen Erlebnisse auf dem Berlin Festival 2014 sollten mit zwanzig Minuten von The Acid starten, einer abwechslungsreichen Mischung aus Singer-Songwriter und elektronischem Gefitzel. Die Temperatur im langen „Glashaus“-Schlauch gestaltete sich alles andere als angenehm, da überraschte es nicht, dass die Begeisterungsbekundungen und Tanzversuche nicht gerade stürmisch waren. Dementsprechend freute man sich danach regelrecht über die riesige, nicht einmal halb gefüllte Arena bei einem der beliebtesten Typen an den Turntables: DJ Koze. Zeitlich hätte man genau jetzt etwas mehr „Hau Drauf“-Musik auspacken können, aber das ist nun mal nicht sein Stil und noch später können die Main Acts wohl kaum angesetzt werden. Nun denn, seine entspannte Art aufzulegen war immerhin der perfekte Auftakt für das Highlight des Abends: Schlachthofbronx. Die beiden Münchener brachten nämlich mit ihrer abwechslungsreichen Mischung aus Elektro, Hip Hop und Bass, Bass, Bass ohne Probleme Bewegung ins Publikum. Da störte dann auch irgendwann die Glashaus-Hitze nicht mehr und es wurde getanzt, was die Beine hergaben.
Samstag
Eigentlich sollte der Samstag ganz entspannt mit Olson beginnen. Es wurde allerdings weder die M10 stoppende Demo eingeplant noch der extrem verstopfte Einlass. Man hatte ja keine Ahnung, dass sich der Eingangswirrwarr nun schon vor dem kompletten Gelände abspielte und sich dennoch auf die gleiche Anzahl von Kontrolleuren beschränkte. Dass sich am Samstagnachmittag die Menschen tummeln war angesichts der Acts ja eigentlich nicht verwunderlich, schien aber nicht eingeplant worden zu sein. Dieses „Loveparade“-Gefühl vom Einlass durfte denn auch später in der Schneise von Badeschiff, Arena und Glashaus immer wieder erlebt werden. Zumindest Dixies und Pommesstand hätten doch woanders platziert werden können… Apropos Pommes: nicht nur an Platz, auch an Food-Ständen fehlte es samstags dem Berlin Festival 2014. Hat halt nicht jeder Lust und Zeit, über 30 Minuten für gebratene Nudeln anzustehen. Das gesamte „Art Village“ verdiente durchaus den Titel „Dorf“, hätte aber lieber zur „Town“ ausgebaut werden sollen.
Nun denn, zurück zu den Bands. Hier wurde uns eine abwechslungsreiche Mischung geboten: zunächst die quietschfidelen Crystal Fighters, „Gangsta“ SSIO und die Indie-Helden von Bombay Bicycle Club. Danach kündigten sich die ersten Überschneidungen an. Der Masterplan: etwas Köpfe nicken bei Genetikk, etwas Tanzen bei Mount Kimbie, etwas Mitsingen bei Editors. Masterplan fehlgeschlagen. Da Mount Kimbie mit ihren 160.000 Facebookfans im winzigen Glashaus spielten, lautete das Zauberwort „Einlassstopp“. Damn it. Also doch komplett Editors. Immerhin direkt „Munich“ und die ganzen Hits mitbekommen. Editors sind sowieso genau die richtige Band für große Hallen und reißen einfach jeden mit, da kann das letzte Album noch so mies sein.
Der darauffolgende Regenschauer und die Lücke im Timetable senkten die Laune nach dem gelungenen Editors-Auftritt etwas, waren im Nachhinein aber genau die richtige Pause für den besten Teil des Abends. Denn von jetzt an zahlte sich das Arena-Gelände aus. Es ist einfach schön, von Club zu Club zu laufen und sich dort abwechselnd die jeweils besten DJs anschauen zu können. Die beste Gelegenheit für Tanzen mit Abwechslung. Gestartet wurde mit Jazzanova, für den sich das Anstehen vorm Arena Club mehr als lohnte. Weiter ging es mit dem kompletten Set von Chase & Status inklusive MC Rage. Oder auch: dem absoluten Highlight. Das Drum ‘n‘ Bass Duo entfachte das reinste Fest. Durch die Gegend springen, abseits tanzen, Moshpit, Crowdsurfing – es gab nichts, was es nicht gab. Die gute Stimmung konnte nicht mal das penetrante „JUMP!“-Anheizen der DJs trüben. Nach 75 Minuten Tanzsport durfte es dann entsprechend ruhiger werden. So fiel die Gunst auf Peak & Swift statt Drunken Masters. Die Hoppetosse war allerdings gnadenlos überfüllt und Körpertanz unter Deck stand nicht unbedingt auf der To-Do-Liste. Also doch zurück zu Digitalism und dort mit müden Füßen tanzen bis das Licht angeht.
Sonntag
So’n 48 Stunden Festival ist ganz schön anstrengend, wenn man Drogen negativ gegenüber steht. Der Großteil des Sonntagprogramms musste also dem Schlaf zuliebe ausfallen. Pünktlich zu Woodkid stand man dann aber natürlich wieder auf der Matte, eilt dem Sänger sein guter Ruf doch voraus. Streicher und Trompeten bietet halt nicht jeder. Entsprechend voll und heiß gestaltete sich die sonst eher überdimensionierte Arena. Faszinierenderweise wirkte das Publikum selbst an den Ausläufern der Menge durchaus angetan. Hier kamen wohl sowohl Hip-Hop als auch Electronic-Fans auf ihre Kosten. Für den persönlichen Geschmack war es dann doch etwas langweilig, aber hey – das schien ein Einzelfazit zu sein. Kontrastprogramm gab es dann kurz mit KIZ und dem „Hurensohn“-Jubiläum inklusive Berliner Kneipenchor bis es wieder zurück zu einem der letzten Auftritte von Moderat in die Arena ging. Der Zusammenschluss von Modeselektor und Apparat startete stark, wirkte auf Dauer aber dann doch etwas ermüdend – die Krux des Sonntagabend-Slots. Allerdings auch keine reine Entschuldigung: Trentemøller konnte zu später Stunde nämlich nochmal so richtig überzeugen und die Tanzfüße wurden kurz wiederbelebt. Danke dafür.
Fassen wir das Berlin Festival 2014 zusammen: große Konzerte kann man durchaus besser organisieren. Gute Tanzabende nicht unbedingt.
(dort unterwegs für Stageload)
So unterschiedlich haben wir den Samstag gar nicht wahrgenommen. Lediglich bei den Editors gehen unsere Meinungen weit auseinander (darum habe ich sie in meinem Bericht http://100songs.de/wordpress/2014/09/08/interlude-zurueck-vom-berlin-festival/ auch mit keiner Silbe erwähnt).
Haha, ich hatte sie letztes Jahr in Köln gesehen und fand es dieses Mal irgendwie besser. Vermutlich, weil ich sie hin und wieder rauf und runter höre.