Für mich sind Konzerte wie die obligatorischen Partys am Wochenende. Man geht hin, man hat Spaß – und oft ist es auch gar nichts Besonderes. Ich hole mir nicht Monate im Voraus (völlig überteuerte) Karten und fiebere dann auf dieses „One in a lifetime“- Event hin. Das ist manchmal sogar tatsächlich etwas schade, heißt aber auch, dass ich schon so Einiges erlebt habe. Ich war in den größten Arenen, den kleinsten Kellern, den schäbigsten besetzten Häusern oder auch in einer Tropfsteinhöhle, ich hab geschrien, getanzt, gepogt, bin ins Schlagzeug geflogen, musste von anderen Menschen vom Boden hochgehoben werden, hatte am nächsten Tag blaue Flecken, Halsschmerzen und eine Erkältung von dem zu langen Warten am Bahnhof auf dem Weg zurück. In meinem Zimmer hängen Setlists und peinliche Fanbilder und auf meiner „To see live before I die“-Liste sind nicht mehr allzu viele Bands. Was ich allerdings noch nie erlebt habe (und hoffentlich werde), sind menschenunwürdige Liveshows.
Zusätzlich zu sowieso viel zu degradierenden, rassistischen oder auch einfach nur dämlich platten Texten gibt es immer wieder Konzerte, bei denen Menschen die Grenzen von dem überschreiten, was man jemals vor Publikum (und vielleicht auch hinter verschlossenen Türen) tun sollte. Eines der Standardbeispiele ist der mittlerweile verstorbene Skandalpunk GG Allin, welcher nicht nur völlig unbekleidet herumsprang, sondern auch gern mal seine eigenen Exkremente gegessen hat. Doch auch heutzutage kann man sich dergleichen anschauen: Auf Konzerten der Alte-Männer-Punkband Die Kassierer („Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist“) fließt nicht nur der Alkohol in Strömen, nein, die Band ist auch dafür bekannt, gerne mal ins Publikum zu pinkeln. Und tut sie das ausnahmsweise mal nicht, so sind sie wenigstens komplett nackt und animieren ihre Zuschauer, es ihnen gleich zu tun – erfolgreich. Zwischendurch lassen sie sich auch gern mal fisten und den dazu verwendeten Handschuh von einem Fan in den Mund nehmen. Bei der gerade vergangenen Release-Show von Trailerpark ließen sich verschiedene Typen auf der Bühne einen blasen und die Sänger hatten extra angemietete Prostituierte dabei, für jeden, der es nötig hatte. Damit hinterließen sie ihre (hauptsächlich männlichen) Zuschauer durchaus zufrieden.
Unfassbar. Ein derartiges Verhalten von Band und Publikum ist mit Sicherheit genauso zu verachten wie die große Gewaltbereitschaft auf vielen Konzerten. Wie kann man ein solches Benehmen ernsthaft feiern? Musik, die man wahrscheinlich sowieso nur im schlimmsten Suff erträgt, ist das Eine, aber eine Live-Show voller Kacke, Kotzen und Körperteile? Auf sowas kann man sich nicht mal eine Sekunde lang freuen. Es ist weder ironisch noch lustig und auch keine Satire, das ist einfach nur eklig und asozial. Und wer das nicht einsieht, hat mit mir bitte nichts zu tun.