We all have scars and stories to tell

Review zu The Fray – Scars and Stories
(Deutschland VÖ heute, verfasst für stageload.de)

Auf unserem Weg durchs Leben haben wir viele Hürden zu überwinden. Mal schwer, mal leichter sind sie nur schwer zu umgehen. Oftmals prägen diese Hindernisse unser menschliches Wesen, sodass wir letztendlich sagen können „damals, als xy passiert ist, ging es mir nicht gut, aber immerhin hat es mich hierhin gebracht und ich bin stärker als vorher“. Sich solche Ereignisse hinterher ins Gedächtnis zu rufen, muntert auf und hilft, Neues zu verarbeiten. Kein Wunder also, dass solch Hinkelsteine nur zu gern als Material für Songtexte genutzt werden. Aktuell geschehen bei The Fray und ihrem dritten Album „Scars and Stories“. Weil diese Seelennarben ihnen noch nicht als Inspiration ausreichten, reisten die Bandmitglieder während des Songwritings durch die Welt und schrieben jeglichen Einfall nieder. Entstanden sind auf diesem Weg bis zu 70 Songs, zwölf davon haben es letztendlich auf  „Scars and Stories“ geschafft. Zwölf Lieder also, die versuchen uns die Welt und ihre Schwierigkeiten näher zu bringen. Doch so ehrwürdig der Vorsatz, so schwer diese Aufgabe und The Fray gelingt es nicht immer, sie zu meistern.

Auf den ersten Blick bietet uns „Scars & Stories“ natürlich viel: ein wohl überlegtes Konzept, weltmännische Liedtitel und eine Band, die mit zwei grandiosen Alben bewiesen hat, dass sie mehr kann, als in TV Serien traurige Szenen zu untermalen. Klickt man allerdings das erste Mal auf „Play“ muss man sich ziemlich überwinden, das ganze Album durchzuhalten. Denn „Scars and Stories“ ruft in uns erst einmal nur eins hervor: Langeweile. Es sind schon ein paar mehr Durchgänge nötig, um „gut“ von „schlecht“ abstrahieren zu können.
„Gut“ wäre da zum Beispiel „Heartbeat“, die erste Single und zugleich Opener des Albums, genauso wie das darauffolgende „The Figther“. Die Lieder knüpfen nahtlos an die alten The Fray Sachen an. Sie sind damit überzeugend, aber natürlich auch nicht sonderlich einfallsreich. Einfallsreichtum findet man erst in der Mitte des Albums, denn es gibt tatsächlich spannende, interessante Songs mit Hit-Potential auf „Scars and Stories“. Man mag es anfangs kaum glauben. Zum Beispiel „1961“: Sänger Isaac Slade erzählt darin von zwei Brüdern, die im geteilten Deutschland aufgewachsen sind. Sie sind beide deutsch und trotzdem so weit voneinander entfernt wie es nur geht – ein Gefühl, was Geschwister wohl auch heute noch viel zu oft erleben. „Munich“ wiederum soll ergründen, wieso wir alle hier sind und was die Welt zusammen hält, angelehnt an die Suche nach dem „Gott-Partikel“. Doch auch wenn Sänger Isaac Slade uns in verschiedenen Interviews seine Gedanken zu den Songs glaubheft erklärt – umsetzen konnte er das textlich nicht. Die Lyrics sind wahrlich keine literarischen Meisterwerke. Davon aber mal abgesehen, formen diese beiden Songs die überzeugende Essenz des Albums. Sie sind melodisch schön, sie bleiben im Ohr hängen und begeistern mit ihrer Geschichte im Hintergrund. Da sind die Plattitüten-Texte Nebensache. Klappt auch bei „I can barely say“ oder der Roadtrip-Geschichte „48 days to go“.

Manchmal geht es aber auch schief. “The Wind” ist eine Aneinanderreihung von nichtssagenden “ooh oohs” und “yeahs”, „Rainy Zurich“ trieft vor lauter Kitsch. Die fünf Extra-Songs der Deluxe-Version kann man sowieso völlig vergessen. Man suhlt sich in Selbstmitleid, eingewickelt in belanglose Melodien. Da kann auch Stacie Orrico als Gastsängerin („Ready or not“) nicht mehr helfen.

Mit der Hilfe von Erfolgsproduzent Brendan O’Brien (Incubus, Papa Roach, The Gaslight Anthem) sollte die Scheibe rockig und authentisch werden. Sie sollte nach Pearl Jam oder Bruce Springsteen klingen und den Live-Shows der Band nachempfunden sein. Entstanden ist dann aber doch eher eine durchwachsene Sammlung pathetischer Popsongs, mit nur vereinzelt zu findenden Highlights. Wenn SO die Liveshows der Band sind, dann bleib ich lieber Zuhause und vergieße ein paar Wehmutstränen zu „How to save a life“.

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2 Kommentare

  1. 14. März 2012 / 23:14

    Lehrreicher Artikel. Interessant, wenn man sowas auch mal aus einem anderen Blickwinkel ansehen kann.

  2. 22. März 2012 / 5:26

    Toller Beitrag.Ich habe ein paar gute Gedankenanstoesse bekommen. Freue mich schon auf weitere Posts zum Thema.

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