You’re all I ever longed for

Review: Mumford & Sons – Wilder Mind

13. März, Magnetclub Berlin. Mumford & Sons präsentieren einer aufgeregten Meute von Newsletter-Empfängern erstmals live die neuen Songs ihres dritten Longplayers „Wilder Mind“. Der Großteil der Die-Hard-Fans wirkt begeistert und klatscht frenetisch mit. Der Rest des Publikums ist fassungslos. Fassungslos ob des gerade Erlebten, des durchweg präsenten Stilwandels. Nicht etwa aufgrund der neuen Lieder, denn die vermögen es nicht, auch nur irgendeine andere Emotion auszulösen als: Langeweile. So formt sich langsam eine leichte Angst vor „Wilder Mind“. Aber vielleicht sind die Aufnahmen auf Platte ja irgendwie besser, einzigartiger, berührender. Man hofft. Noch.

1. Mai, deutschlandweit. Mumford & Sons releasen „Wilder Mind“ begleitet von einer aufdringlichen Plakatkampagne, gesponserten Facebook-Postings und einem bereits seit Wochen laufenden PR-Marathon vom Feinsten. Dass diese Mega-Band das überhaupt noch nötig hat. Millionen von Fans liegen ihnen zu Füßen und kaufen ohne Zögern 70-Euro-Konzerttickets und Deluxe-Pre-Orders. Kritiker feiern die Auferstehung des Folkrock und nennen Mumford & Sons in einem Atemzug mit Branchengrößen wie U2 oder Coldplay. Doch die Geldmaschine muss sich nun mal beständig weiterdrehen und die Band um Marcus Mumford hat eine 180-Grad-Wandlung zu verkaufen. Nicht nur, dass kariertes Flohmarkt-Jackett gegen Lederjacke getauscht wurde, nein, der rebellische Herr Mumford hat das alles bestimmende Banjo abgeschrieben und wettert öffentlich gegen den damals eigens ausgewählten Bandnamen. Der Name lässt sich nicht mehr ohne Verluste ändern, dafür kann die Musikrichtung mit einer derart loyalen Fanbase im Nacken problemlos weiterentwickelt werden. Mumford & Sons stehen die musikalischen Türen dieser Welt offen: Ob bei einer weiteren Perfektion des Folkrock, einer Annäherung an Indiepop, ja, selbst bei einer Punkrock-Scheibe wäre eine millionenfache Abnahme des neuen Albums sicher. Und was machen Mumford & Sons aus dieser Luxussituation? Verkünden „our new sound will freak people out“ (NME) und kommen nach einer monatelangen Auszeit, erstmaligem gemeinsamen intensiven Schreibens und angeblichen The National Annäherungen – die Songs wurden teilweise in Aaron Dessners Garage komponiert – mit „Wilder Mind“ wieder, einem Rockalbum, wie es belangloser nicht sein könnte. Mumford & Sons machen nun Poprock, der von Liebe handelt und in jedem Radio dieser Welt als Hintergrundgedudel verwendet werden könnte. Mumford & Sons machen nun Musik, die jede Band aus Hintertupfingen schreiben würde, die so erfolgreich werden möchte wie Mumford & Sons. Mumford & Sons machen nun Musik, die maximal Leute zum Ausrasten bringt, die vorher drei Jahre im Koma lagen. Der Rest fällt auf der Stelle in den Winterschlaf.

Bei der zweiten Single-Auskopplung „The Wolf“ war die Welt noch in Ordnung. Zeilen wie „You’re all I ever longed for“ geben zwar Futter fürs Kitschsparschwein, doch gegen gut gemachten Rock zum Mitwippen und Im-Ohr-bleiben kann man nicht viel sagen. Die ebenfalls vorab veröffentlichten „Believe“ und „Snake Eyes“ waren dann schon richtungsweisender für „Wilder Mind“: erst einmal Fokus auf Mumfords weichgespülten Liebesgesang, später vermehrter Einsatz von Schlagzeug und E-Gitarre sowie ein prägnanter, gerne mehrstimmiger Refrain. Mitwippen lässt sich weiterhin, nur wird es schwierig, die Titel auseinander zu halten. Denn ob „Tompkins Square Park“ oder „Just Smoke“, auch nach zweistelliger Durchgangszahl rauscht „Wilder Mind“ ohne größere Highlights an einem vorbei. Klar, bei „The Wolf“ wird weiterhin aufgehorcht und bei „Monster“ möchte man dank Stadion-„Aaaaah haaaaah“ und übertriebenem Schnulzengesäusel kurz alles aufgeben. Danach geht jedoch auch die zweite Albumhälfte den gewohnten technisch gut gemachten, jedoch ganz und gar nicht beeindruckenden Gang. Lediglich „Ditmas“ mit den eingängigen „This is all I ever was“ Zeilen macht sich positiv bemerkbar, verschwindet allerdings mir nichts, dir nichts im Mumfordschen Einheitsbrei. Nachdem die letzten Klänge von „Hot Gates“ ertönen, ist man denn auch nicht etwa traurig über das Ende des Longplayers. Man merkt nach fünf Minuten Stille überhaupt erst einmal, dass der „Wilder Mind“-Dauerstream durch ist. Lust, sich den ganzen Kram nochmal zu geben? Nicht im Geringsten.

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8 Kommentare

  1. 7. Mai 2015 / 7:36

    ich hab mich schon irre aufs neue album gefreut und kam gestern dann dazu, reinzuhören. so schlimm wie du fand ich es nicht, aber die begeisterung hat auch auf sich warten lassen. leider. weil das albumcover finde ich soo schön!!

    • 7. Mai 2015 / 16:59

      Vielleicht habe ich es, wegen des Reviews, auch einfach zu oft gehört. Irgendwann nervt es einfach nur noch.

  2. 7. Mai 2015 / 21:47

    Wegen den ganzen Reviews mag ich mich schon gar nicht mehr an das Album ran wagen :/ Wie können die nur?

    (Und achja, wenn man sich um 360° dreht, steht man wieder genau so da wie am Anfang, aber das nur so nebenbei ;) )

  3. 10. Mai 2015 / 17:27

    Habe gerade erst reingehört. Man hört und hört und wartet, dass der typische M&S-Sound eintritt, aber dann bleibt es nur dabei und klingt irgendwie doch wie Coldplay. Ich mag Marcus‘ Stimme, deshalb find ich das ganze jetzt nicht so übel. Ist bestimmt ganz radiotauglich.
    So fühlt sich das bestimmt an, wenn man jemanden geliebt hat und dann verändert er sich so sehr, dass du ihn nicht mehr wiedererkennst.

    • 11. Mai 2015 / 7:04

      Ich find’s ja auch nicht übel, nur furchtbar belanglos… du hast schon Recht mit deinem Liebe-Satz :D

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