Meine Touriguides für Leipzig und Dresden musste ich nicht groß erklären, aber ein Text über Aalsmeer ist vermutlich eher ungewöhnlich… AALSMEER? Ein Dörfchen in Holland? Verdient das besondere Aufmerksamkeit? Ich sage ja. Es gibt dort nämlich die größte Blumenversteigerung der Welt. Als Ottonormalverbraucher macht man sich ja keine oder wenig Gedanken darüber, woher die Blumen vom örtlichen Floristen eigentlich kommen. Klar, man hat die romantische Vorstellung eines kilometerlangen holländischen Tulpenfeldes vor Augen. Wie der ganze Handel abläuft, davon kriegt man jedoch wenig mit. Wer einmal die Gelegenheit bekommt, die FloraHolland Auktion in Aalsmeer oder eine ihrer kleineren Äquivalente zu besichtigen, wird das Ganze etwas mehr verstehen.
Der Weg ist nämlich so: Die Züchter bringen ihre frischen (Schnitt-)Blumen und Pflanzen zu einem der internationalen Handelszentren in die Niederlande, auch Importe aus anderen Ländern werden mit KLM eingeflogen und dort gesammelt. Früh morgens treffen sich dann in Aalsmeer und Co. die hohen Tiere der Blumenbranche und legen die täglichen Preise für die von ihnen zu verantwortenden Großmärkte im In- und Ausland fest. All dies geschieht über eine gigantische, rückwärts laufende Uhr, die den aktuellen Preis für eine vorher festgelegte Menge der Produkte anzeigt. Je schneller der Bieter drückt, desto sicherer hat er die gewünschte Ware. Je länger er wartet, desto billiger wird sein Einkauf. Die Entscheidung wird innerhalb von Sekunden getroffen und formiert sich aus Qualität der Produkte, Renommee des Züchters und den Preisen bei anderen Versteigerungen, die zeitgleich im Internet ersichtlich sind. Nach Ersteigern der Blumen und Pflanzen werden die gewünschten Mengen in einem vorher festgelegten Bereich für den acquirierten Großmarkt gesammelt, von dort dann mit LKW abtransportiert und zum jeweiligen Zielort gebracht.
Ein derartiger Prozess erfordert natürlich ein extrem hohes Maß an Planung und Manpower, daher arbeiten in Hochzeiten bis zu 10.000 Personen gleichzeitig bei der Blumenversteigerung. Das Personal fährt auf kleinen „Autoscootern“ durch die Gegend, bekommt die Anweisungen über einen Knopf im Ohr und kann nicht einmal selbst entscheiden, wann es Pause macht – „Richard, André, Tom, Ron: 8.10 – 8.35“ wird die Pausenanzeige nämlich irgendwann einfach festlegen und bekanntgeben.
Für den Besucher ist sowas natürlich unglaublich faszinierend anzuschauen. Zum einen wird man wohl selten noch einmal so viele Blumen auf einen Haufen sehen, zum anderen ist es spannend, hautnah dabei zu sein, wie der Preis für Rosen (für die gibt es sogar eine Extra-Uhr), Calla & Co. definiert wird. Man bekommt sogar einen Einblick in die aktuellen Neuzüchtungen der Branche: Züchter bezahlen nämlich nochmal einen extra Obulus, um ihre neuen Produkte von der Versteigerung testen und dann eventuell mit ins Sortiment aufnehmen zu dürfen. Gerade ganz angesagt: indigoblaue Orchideen. Die beliebtesten Topfpflanzen Deutschlands sollen es ja schließlich auch bleiben.
Wen es also mal in Richtung Amsterdam verschlägt: Aalsmeer ist einen Abstecher wert.
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