Nachhaltiger leben – womit ich Schwierigkeiten habe

Nachhaltigkeit Schwierigkeiten SymbolbildIm Frühling 2017 habe ich mich entschieden, nachhaltiger zu leben. Dank Jobwechsel hatte ich einen Monat frei, habe die Zeit genutzt, um mich mehr mit dem Klimawandel auseinanderzusetzen und festgestellt: Diese Ich-Bezogenheit, ohne die Konsequenzen für Natur und Umwelt zu bedenken, muss ein Ende haben. Also sortierte ich fleißig im Bad aus, abonnierte einige Nachhaltigkeits-Influencer und passte nach und nach meine Routinen an.

Drei Jahre später. Wie geht es mir nun mit meinem Umweltbewusstsein? Es wird Zeit für einen ehrlichen Zwischenstand, Selbstreflexion verpackt in einer Liste mit meinen neuen Alltagsroutinen. Auf manches bin ich stolz, bei manchen Themen gucke ich beschämt zur Seite, weil ich nicht so strikt bin, wie ich es gerne wäre. Denn hin und wieder meldet sich bei mir der Schweinehund mit Gedanken à la „Du hast schon auf genug verzichtet, andere machen gar nichts“. Es erfordert schon einiges an Willenskraft, rein aus Altruismus zu handeln, anstatt Dinge zu tun, die einfacher, günstiger, schneller oder schöner wären. So geht es vermutlich nicht nur mir.

Daher möchte ich mit der folgenden Liste allen, die Ähnliches versuchen, sagen: You are not alone. Wir alle haben Zweifel, gute wie schlechte Tage – aber das Schöne an dieser Nachhaltigkeitsreise ist: Jeder kleine Schritt hilft, jede auch nur winzige Tätigkeit ist besser als Stillstand.

Das läuft gut

Generell kann ich sagen: meine 15 Tipps, um den Alltag nachhaltiger zu gestalten, nehme ich weitestgehend ernst. Bei meiner Umstellung besonders hervorheben möchte ich:

Weniger konsumieren

Es ist mein erklärtes Ziel, geplanter, und damit seltener, Lebensmittel einzukaufen. Das hat im Frühjahr gut geklappt, jetzt darf ich nur nicht nachlässig werden, wenn ich wieder häufiger das Haus verlasse und „mal eben etwas mitbringen“ könnte.

In anderen Bereichen kaufe ich mittlerweile selten etwas, über das ich nicht länger nachgedacht habe. Das war anfangs echt eine Herausforderung. Eine Gefahr bei der Umstellung ist nämlich, dass man Dinge einfach nur durch „grüne“ Alternativen ersetzt, obwohl man noch genug Brauchbares Zuhause hat. Stichwort Fair Fashion, Abschminkpads, Gemüsebeutel, Mehrweggeschirr, Weckgläser…

Darüber hinaus werde ich langsam Fan von Second Hand. Wenn ich mich dazu entscheide, dass ich etwas wirklich benötige, führt der erste Klick immer häufiger zu Kleiderkreisel und ebay Kleinanzeigen, nicht mehr zu H&M und Amazon.

Nachhaltigkeit Schwierigkeiten SymbolbildWeniger Müll

Klar, von „zero waste“ bin ich noch meilenweit entfernt. Unfassbar bewundernswert, wie konsequent da manche sind! Nichtsdestotrotz hat sich mein Bewusstsein über die letzten Jahre deutlich gesteigert. „To go“ hole ich mir selten etwas und sonst nach Möglichkeit mit Beutel, bei Ausflügen sind Trinkflasche und meine geliebte Snack-Tüüt Standard, Frischhaltefolie, Alufolie, Backpapier sind absolute Ausnahmefälle, Plastiktüten im Supermarkt ein No Go, und und und.

Richtiger Ökostrom & Vermeidung von Inlandsflügen

Die beiden o.g. Dinge sind „einfach“ Einstellungssache. Nachdem ich festgestellt habe, dass es irgendwie nur bedingt sinnvoll ist, Ökostrom von einem Anbieter zu beziehen, der an anderer Stelle auf fossile Rohstoffe setzt, sind wir bei der nächsten Gelegenheit auf Strom von Polarstern umgestiegen. Auch habe ich für mich entschieden, keine Inlandsflüge mehr machen zu wollen. 2019 wurde ich zweimal schwach, weil die Flugverbindung schneller und günstiger war. 2020 und darüber hinaus möchte ich standhaft bleiben. Dank Corona konnte das jetzt noch nicht ausgiebig getestet werden, aber ich bin mal zuversichtlich!

Weniger Fleisch essen

Seit diesem Jahr esse ich fast kein Fleisch mehr und unser Essen ist einer der wenigen Bereiche meines Weges zu mehr Nachhaltigkeit, wo ich selten das Gefühl habe, auf etwas zu verzichten. Das liegt nicht nur daran, dass ich es mir (noch) zugestehe, ca. ein bis zweimal pro Monat eine Ausnahme zu machen, sondern auch daran, dass vegetarische Ernährung 2020 schlichtweg nichts mehr Besonderes ist: es gibt eine Vielzahl von Rezepten und Restaurants, die einen bei diesem Vorhaben unterstützen. Nur zu gerne greife ich dabei sogar auf vegane Alternativen zurück, da bin ich aber noch nicht so weit und das ist auch erstmal okay für mich.

Das läuft weniger gut

Ein Leben mit mehr Umweltbewusstsein ist für mich ein ständiges Abwägen zwischen (Zeit-) Aufwand und Nutzen. Die beiden ersten Punkte sind dafür die besten Beispiele.

Reinigungsmittel selbst herstellen

Wenn man mal von der Kalenderleere während des Corona-Lockdowns absieht, ist es völlig utopisch, dass ich es schaffe, regelmäßig DIY-Projekte umzusetzen. Und wenn doch, dann entscheide ich mich, Stichwort #selfcare, eher fürs Kuchenbacken als für die Herstellung eines Allzweckreinigers. Zum Glück sind „grüne“ Reinigungsmittel mittlerweile Mainstream, sodass in den Drogerien einigermaßen umweltverträgliche Produkte angeboten werden. Meine Hoffnung ist, dass in Zukunft zur Imagesteigerung von Unternehmen weitere Abfüllstationen geschaffen werden und so Plastikmüll vermieden werden kann. In Berlin rüstet zum Beispiel die BIO COMPANY auf. Damit wären wir auch direkt beim nächsten Punkt…

Saisonal, regional und unverpackt einkaufen

Bei Lebensmitteln bin ich ein klassischer „ein Laden, ein Wocheneinkauf“-Typ. Gerade in der Großstadt, wo Distanzen reichlich und eigene Autos rar sind, ist es mir wichtig, Einkäufe schnell und unkompliziert erledigen zu können. Einen Trip zum 45 Minuten entfernten Unverpackt-Laden habe ich daher bisher nur zweimal auf mich genommen, zum Markt bin ich noch gar nie gegangen. Ich nehme mir nun zumindest vor, im Supermarkt meines Vertrauens wieder verstärkt auf die Schilder zu gucken und den Saisonkalender im Hinterkopf zu behalten – letzte Woche war ich ganz geschockt, als ich einen Apfel aus Neuseeland in den Händen hielt.

Nachhaltigkeit Puder reparierenHaarpflege & dekorative Kosmetik

Eine der für mich radikalsten Umstellungen fand im Bad statt. Im Grunde habe ich so gut wie alle Pflege- und Kosmetikprodukte aussortiert und bin nach und nach auf Naturkosmetik umgestiegen, nachdem mich das Inhaltsstoffe checken bei konventionellen Produkten jedes Mal Kopfschütteln ließ. Die Umstellung war nicht nur teuer – nicht jedes Produkt ist direkt ein Volltreffer und die Preise sind generell etwas höher –, sondern leider auch teilweise ein 360-Grad-Weg. Sprich, ich bin von konventioneller Kosmetik auf Naturkosmetik umgestiegen und dann teilweise wieder bei konventioneller Kosmetik gelandet. Ich geh hier mal mehr ins Detail – vielleicht mag sich ja jemand dazu austauschen.

Haarfarbe und -kuren

Das Umsteigen auf silikonfreies Shampoo hat dank Natron und Essig gut geklappt. Die Essigspülung verwende ich mittlerweile sogar 2x die Woche, weil ich das Gefühl habe, dass die Mischung meinen Haaren guttut. Nichtsdestotrotz ist es ziemlich frustrierend, dass die (eh schon chemische) Haarfarbe sehr schlecht hält und ich durchweg so aussehe, als hätte ich absichtlich einen Ombré-Effekt in den Spitzen. Aktuell überlege ich daher wieder, auf „richtige“ Spülung für kolorierte Haare umzusteigen. Noch habe ich aber die Hoffnung, dass vielleicht ein, zwei professionelle Friseurprodukte ohne Mikroplastik helfen. Was demnach bisher nicht in die Tüte kam: feste Seifen oder Haarshampoos. Ich bin so schon unglücklich genug ;)

Pflegeprodukte

Meine Haut ist die letzten Jahre allgemein schlechter geworden, die Ursache schreibe ich aber nicht zwingend den Produktumstellungen zu, da ich meine Gesichtspflege insgesamt deutlich bedachter und umfangreicher angehe. Daher würde ich generell sagen: Cremes, Reinigungsmilch etc. – läuft, aktuell bevorzugt von i+m. Bei der Zahnroutine müsste ich generell noch mehr testen, da bin ich noch etwas zögerlich. Probleme habe ich mit wirkungsvollen Antitranspiranten sowie Make-Up-Entfernern für wasserfeste Produkte. Falls da jemand eine Empfehlung hat…

Dekorative Kosmetik

Ein Auf und Ab erlebe ich mit meinem Alltagsmakeup, hier habe ich mit Abstand am meisten getestet, was mich im Hinblick auf „weniger konsumieren“ genervt hat. Rouge (Lavera), Augenbrauenstift (Puro Bio), Kajalstift (Benecos), Eyebrow Styler (Alterra) und Mascara (Lady Green) sind nun langfristig dabei. Auf der Suche bin ich noch nach: Make Up, Puder, Concealer/Abdeckstift, Eyeliner. Ein Offline(!)-Laden mit dekorativer Naturkosmetik zum Durchtesten wäre mein absoluter Traum. In Berlin gibt es zwei nennenswerte Läden, allerdings mit begrenztem Sortiment.

Man kann also sagen: Auch drei Jahre nach Start beschäftigt mich die nachhaltige Lebensweise weiterhin am meisten im Bad. Mit Küche & Konsum bin ich ganz zufrieden.

Wie ist die Lage bei euch? Macht ihr euch zu dem Thema ebenfalls Gedanken? Wenn ja, was läuft gut und wo habt ihr Schwierigkeiten?

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2 Kommentare

  1. Anna
    21. Juli 2020 / 15:07

    Liebe Ines,
    ich finde deinen Beitrag richtig toll! Wie du schon sagst – Social Media und die Internetweiten sind voll von Blogs, die Perfektion und enorme Disziplin vermitteln. Deinen ehrlichen Eintrag zu lesen, tut gut und baut auf.
    Ich find’s super schön, dass du da so liebevoll und geduldig mit dir selbst bist. Das fehlt mir persönlich dann doch noch immer wieder. Aber bekanntlich ist ja der Weg das Ziel :-P Und ich kann dir nur zustimmen – jeder noch so kleine Schritt ist einer in die richtige Richtung. Und geduldig zu sein mit sich selbst ist da wohl die oberste Priorität. Weil alles, was mit Druck, Zwang und Widerwillen geschieht, das hält dann meist nicht lange und tut auf die Dauer einfach nicht gut. Zumindest sind das meine persönlichen Erfahrungen.

    Für mich ist momentan vor allem das Thema vegane Ernährung sehr präsent. Auf meiner Pilgerreise am Jakobsweg durch Österreich wurde ich jetzt immer wieder vor mein persönliches Dilemma gestellt, wie sinnvoll/nachhaltig es ist, starr und eisern an den selbst auferlegten Prinzipien festzuhalten.
    Denn einerseits braucht der Körper für’s Wandern Energie. In kleinen Dörfern ist der vegetarische Trend (von vegan ist ja noch lange nicht die Rede) manchmal noch nicht angekommen und scheint die Gastwirt*innen oft ziemlich zu überfordern. Auch in den Minisupermärkten (wenn es überhaupt einen gibt) hält sich die Auswahl an veganen Alternativen meist in Grenzen. Also wurde ich mit der Situation konfrontiert: Ernähre ich mich jetzt jeden Tag von grünem Salat, Pommes, Erdäpfel und Brot? Oder greife ich zu den vegetarischen Gemüselaibchen?
    Oder: was mache ich, wenn mir eine liebevoll vorbereitete Jause bereitgestellt wird, die weitgehend aus Butter, Wurst und Käse besteht? Mit der Befürchtung, dass alles wohl im Müll landet, was ich nicht esse.. – Entscheide ich mich dafür, die Jause einfach zu essen, wodurch sich der Ist-Zustand einfach nicht verändern wird. Oder esse ich sie nicht, lasse Wurst und Käse übrig und die Lebensmittel werden weggeworfen?
    Oder: eine ganz eine alltägliche Situation. Eingeladen bei Oma – sie hat extra einen Kuchen gebacken. Mit strahlenden Augen und voller Stolz präsentiert sie ihn. Natürlich mit Butter und Ei. – Wie reagiere ich?
    Folgende Fragen stellen sich mir jetzt immer wieder: wie viel möchte ich meine Werte einfordern, auch wenn ich andere Menschen dadurch überfordere, enttäusche, aus ihrer Comfortzone boxe, ungemütlich bin, große Umstände mache und Unstimmigkeiten bzw. schlechte Stimmung riskiere? Gehe ich da den geringeren Widerstand in mir selbst, um Konflikten aus dem Weg zu gehen? Ist das nicht genau das, was auch mehr Bewusstsein in anderen Menschen bewirken kann?
    Ja, das sind meine großen Themen momentan…

    Danke für deinen ehrlichen Beitrag und den Mut dafür. <3
    Ach ja… Thomas und ich haben auch lange nach einer Deo-Alternative gesucht und haben sie hier gefunden: https://ohnemit.at/shop/deocreme-mit-salbei/

    Ich nehm dir gerne beim nächsten Mal eine Dose mit, dann kannst du's einfach mal ausprobieren, wenn du magst. :-)
    Alles Liebe,
    Anna

    • 21. Juli 2020 / 20:41

      Danke für den ehrlichen Kommentar! Das sind wirklich gute Beispiele, die ich gut nachvollziehen kann – sobald man nicht in seiner gewohnten Umgebung ist, besonders Richtung Süden, wird die Ernährung schwieriger. Und die Diskussionen mit Menschen, die einem wichtig sind, aber auf andere Dinge wert legen, fangen ja schon bei der Restaurant-Auswahl an, wenn man gemeinsam unterwegs ist. Ich versuche, nicht allzu „missionarisch“ unterwegs zu sein, bin ja selbst jahrelang eher blauäugig durch die Welt gegangen. Ihr seid da ja schon viel weiter als ich und könnt besseren Gewissens zum Umdenken anregen. Aber vielleicht ist das jetzt auch nur meine Ausrede, um Konflikten aus dem Weg zu gehen. ;D

      Bzgl. des Deos: Das klingt echt gut! Nur mag ich den Geruch von Salbei nicht und die „Pur“-Variante wirkt schon durch die abgeschwächte Beschreibung deutlich weniger effizient. Schade!

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